Evenementalisierung von Kultur
10. Dezember 2008
Fatih Akıns Film „Auf der anderen Seite“ als transkulturelle Narration
Filmvorführung
Auf der anderen Seite
Regie: Fatih Akın
10. Dezember 2008, 20 Uhr s.t.
Universität Konstanz, Tagungsraum K 07
Workshop
Zum Hintergrund
„The combination of room and person is cinema“, zitiert Fatih Akın den bosnischen Regisseur Emir Kusturica in einem Interview und macht zugleich darauf aufmerksam, dass sein national wie international preisgekrönter aktueller Film „Auf der anderen Seite“ (2007) diesem Anspruch gerecht werden will. Erzählt werden in diesem Film Geschichten von sechs Figuren, die zugleich sechs Handlungsstränge definieren. Dabei erstreckt sich der kulturelle wie nationale Background der Protagonisten vom Deutsch-Türkischen (Ali, Yeter [1. Generation], Necat [2. Generation, Sohn Alis]) über das Türkisch-Türkische (Ayten [Linksaktivistin, Yeters Tochter]) bis zum Deutsch-Deutschen (Susanne [Alt-68erin] und Lotte [Susannes Tochter]). Trotz dieser biographisch bedingten Disposition, die Migration, Familie, Nation und Kultur bündelt, geht es in Akıns Film weder um einen Kulturdialog noch um einen Kulturkonflikt.
Kultur wird in „Auf der anderen Seite“ vielmehr von einer Unbestimmtheit getragen, die moderne und vormoderne Vorstellungen von Kultur, wie sie Dirk Baecker in „Wozu Kultur?“ (2003) ausführt, in Relation setzt und Kultur dadurch evenementalisiert, zum Ereignis macht. Die Form hierfür ist unter anderem die enge Bindung und Gleichrangigkeit von Raum und Person. Diese impliziert eine Einbeziehung von Dingen, Orten, Landschaften und auch der Literatur, die nicht das Subjekt als alleinigen Träger der genannten Disposition begreifen kann. Die Personen sind durch die Einbeziehung des Raumes gebunden und verwoben, was medial durch die Dominanz totaler Einstellungen (long shot) zum Ausdruck gelangt. Diese Perspektive steht formal konträr zu der in Akıns ebenso erfolgreichem Film „Gegen die Wand“ (2003) in dem Nahaufnahmen (close-up) dominieren.
Die Problematisierung essentialisierend repräsentativer Darstellungen von türkischer und deutscher Kultur, von kultureller Identitätszuschreibung, die im medial-politischen Diskurs dominieren, wird in „Gegen die Wand“ vor allem durch die Charaktere der Protagonisten Cahit und Sibel getragen (Ezli, 2007). Wenn „Gegen die Wand“ noch als ein deutsch-türkischer Film bezeichnet wurde, so wird „Auf der anderen Seite“ als globales und internationales Kino verhandelt, das sich von der Vorrangigkeit des deutsch-türkischen Konnex’ gelöst hat. Und es ist die distanzierte, den Raum und die Personen einbeziehende Perspektive der Kamera im aktuellen Film Akıns, die in Relation zu den Themen der Migration, Nation und Kultur in den Feldern der Kulturtheorie, der Migrationssoziologie, der Literatur- und Filmwissenschaft zu sensibleren wissenschaftlichen Reflexionen anregen und wissenschaftlich fruchtbar gemacht werden kann.
Über den Workshop
Dieser dargestellten Perspektive im Blick auf die genannten Themen wollen wir anhand des Films „Auf der anderen Seite“ im Rahmen eines kleinen Workshops mit vier internationalen Referenten nachgehen. Dabei ist die interdisziplinäre Herangehensweise an diesen Film zentral, die mit der Wahl unserer Referent/innen gewährleistet wird, welche migrations- und kultursoziologische bis hin zu film- und literaturwissenschaftliche Felder umreißen. Auf den Workshopvormittag wird eine Filmvorführung im Scala-Kino mit anschließender Podiumsdiskussion folgen, zu der die Bewohner von Konstanz herzlich eingeladen sind.
Flyer/Programm (Download: Layout- und Druckversion, PDF)
Referent/innen
- Deniz Göktürk, Literatur- und Filmwissenschaftlerin (Berkeley, University of California)
- Leslie Adelson, Literaturwissenschaftlerin (Cornell University) (Gast)
- Barbara Mennel, Literatur- und Filmwissenschaftlerin (University of Florida)
- Levent Tezcan, Religionssoziologe (Tilburg University)
- Özkan Ezli, Literatur- und Kulturwissenschaftler (Universität Konstanz)
11. Dezember, 9:15-13:00 Uhr
Universität Konstanz, Raum Y 310
Kontakt
Özkan Ezli
Tel: 0521/2602548
oezkan.ezli[at]uni-konstanz.de